Aktuell wird im Namen der Klimawende Siedlung für Siedlung totalsaniert oder dem Erdboden gleich gemacht, um vermeintlich ökologischere Ersatzneubauten zu erstellen. Sozial ist das alles andere als nachhaltig, denn im Zuge dieser Erneuerungen werden die Häuser in der Regel leergekündigt, was im grossen Stil zu Verdrängungsprozessen führt. Betroffenen Mieter*innen kommen nicht selten in existenzielle Notlagen und unsere Städte entmischen sich zunxehmend. Auch ökologisch sind derart radikale Erneuerungen oft fragwürdig (> siehe weiter unten).
Es ginge auch anders: Wir könnten Wohnbauten so sanieren und verdichten, dass ein Grossteil der Bausubstanz erhalten oder wiederverwendet wird, und wir könnten dies so planen, dass die Bewohner*innen gar nicht oder nur kurz ausziehen müssen und keine zu grossen Mietzinserhöhungen fürchten müssen. Eine der Schlüssel-Faktoren dabei ist eine schlaue Etappierung des Projekts, gerade bei grösseren Häusern/Siedlungen: also ein Vorgehen, bei dem Haus für Haus oder Strang für Strang erneuert wird. Dies gibt auch die Arbeitshilfe der Stadt Zürich für “Sozialräumliche Aspekte beim Planen und Bauen” vor .
Gemeinnützige Bauträgerinnen gehen oftmals nach diesem Vorgehen vor und verfügen über einen grossen Erfahrungsschatz. Doch in letzter Zeit entdecken auch Profitorientierte diese Strategie für sich. Beispiele dafür sind das Telli Aarau (AXA Winterthur), wo 3 Jahre lang fast 600 Wohnungen so umgebaut wurden, dass die Bewohnerinnen nur einmal innerhalb der Siedlung umziehen oder für 2 Wochen ausziehen mussten. Oder die Frohburg Siedlung in Zürich (Helvetia Versicherungen), wo zwar ersatzneugebaut wird, aber voraussichtlich so, dass in der ersten Etappe genügend preisgünstige Wohnungen entstehen, dass fast die gesamte bisherige Bewohner*innenschaft vor dem Start der zweiten Bauetappe noch dort einziehen kann.
Damit eine Etappierung aber effektiv zur Nachhaltigkeit eines Bauprojekts beiträgt, ist sehr spezifisches Know-How erforderlich – zum Beispiel zu folgenden Fragen: Wie gestaltet man entsprechende Bau- und Planungsprozesse? Wie weiss man, welche Grundrisse und welcher Standard in den ersten Etappen gebaut werden muss? Wie kommuniziert man mit der Mieterschaft und schafft Vertrauen? Gibt es geeignete Partizipationsformen um diesen Prozess zu begleiten? Auf welche Hürden und Härtefälle muss man sich vorbereiten? Welche Belegungsvorgaben oder Mietzinsmodelle, Umzugshilfen oder Lagermöglichkeiten können eine geeignete Ergänzung sein?...
Dieses Know-How liegt aktuell verstreut bei wenigen Expertinnen oder gemeinnützigen Baugenossenschaften. Es wird vor allem persönlich oder im seit 2023 bestehenden Arbeitskreis «Sozialökologische Bauwende» (von uns mitbegründet) im eher exklusiven Rahmen ausgetauscht. Von den meisten Bauherrenfrauen hören wir aber weiterhin, dass sie es mit dem Bedürfnis, ihre Wohnimmobilie sozialverträglich weiterzuentwickeln, schwer haben, überhaupt entsprechende Planer*innen zu finden, oder dass ihre Hausverwaltung von vornherein abwinkt: das sei leider nicht machbar. Der Grund dafür ist, dass es fast überall an Know-How und Erfahrung fehlt.
Das möchten wir ändern! Wir möchten das Thema Etappierung vertiefen, aktuelle Good Practices studieren, Interviews führen mit den wenigen Expert*innen, die dazu vertieftes Wissen haben, und dann das nötige Wissen für ein breiteres Fachpublikum aufarbeiten und zugänglich machen. Zu diesem Output werden auch praktische Tools gehören wie direkt anwendbare Checklisten oder Vorlagen. Verbreiten werden wir die Learnings unter anderem über die Kanäle von Casafair.
Darüber hinaus denkbar ist die Entwicklung von Seminaren/Vorlesungen als Teil von Architektur/Innobilienbewirtschafts-Ausbildungen, von Kursen für Casafair-Mitglieder, von Argumentarien und ensprechende Kampagnen, um für sozialverträgliches Weiterbauen zu lobbyieren oder gar eine Zertifizierung von sozialverträglichen (Um)Bauprojekten.